HR-Tipps einer schwierigen Mitarbeiterin Teil 1: Erklärt mir den Sinn!


In dieser Serie gebe ich Unternehmen Tipps, wie sie Talente mit so problematischen Persönlichkeiten wie mich als Mitarbeitende gewinnen und halten können. Heute: Warum ich nur arbeite, wenn ich den Sinn kenne und verstehe.

Falls ihr meinen letzten Blogpost noch nicht kennt: Diese Serie ist Teil eines Selbstexperiments zum Thema Ehrlichkeit im Beruf. Ich möchte testen, was passiert, wenn ich auf einem beruflichen Netzwerk wie Linkedin Charaktereigenschaften preisgebe, die Arbeitgeber schwierig finden könnten. Werde ich einen Shitstorm oder Komplimente für Authentizität und Mut bekommen? Wird ab jetzt niemand mehr mit mir arbeiten wollen, geschweige denn mich einstellen, sollte ich doch irgendwann wieder eine Festanstellung suchen? Oder nehmen sich Personalverantwortliche und Führungskräfte meine Tipps zu Herzen, buchen mich möglicherweise sogar für einen Workshop oder Vortrag, weil sie lernen möchten, wie sie mit Menschen wie mir umgehen sollen, wenn diese zufällig genau die Fähigkeiten haben, die sie brauchen? Oder interessiert sich am Ende niemand für meinen Möchtegern-Skandalpost, weil alle so abgebrüht sind, dass sie nichts mehr schockiert und außerdem so sehr mit ihrem eigenen Kram beschäftigt sind?

Bin ich schwierig?

Was ich an dieser Stelle anmerken möchte: Wahrscheinlich gibt es Personen, die sehr viel „schwieriger“ sind als ich, was auch immer das konkret bedeutet. Vor allem Weiße Hetero-Cis-Männer. Aber eine Frau bekommt das Label „schwierig“ eben auch sehr viel schneller aufgedrückt. Ihr kennt sie bestimmt, diese Comics und Memes: Er ist zielstrebig und durchsetzungsstark, sie gilt mit dem gleichen Verhalten als zickig, hysterisch oder eingebildet. Ja, das habe ich selbst so ähnlich selbst erlebt, möchte ich an dieser Stelle aber nicht weiter drauf eingehen.

Es ist nicht so, dass ich permanent auf Krawall gebürstet bin und Probleme verursache; im Gegenteil, ich bin die meiste Zeit eher zurückhaltend und harmoniebedürftig. Ich bin noch nie abgemahnt oder gar entlassen worden und habe in all meinen bisherigen Anstellungen gute Arbeit geleistet. Ich wurde dafür geschätzt, dass ich schnell lerne, dass ich zügig und gleichzeitig sorgfältig arbeite, dass ich Team und Führungskräften freundlich und hilfsbereit begegne.

Aber ich habe doch einige Eigenschaften, die aus Sicht von Arbeitgebern und allen, die mehr „Bock auf Leistung“ fordern, die Wirtschaftsleistung unseres Landes sabotieren. Diese Eigenschaften werde ich euch in der Beitragsreihe nach und nach offenbaren und gleich ein paar Ratschläge mitliefern, wie ihr auch Mitarbeitende mit diesen Eigenschaften für euer Unternehmen gewinnen und sie bei euch halten könnt – denn der Fachkräftemangel lässt euch ja wahrscheinlich sowieso keine andere Wahl. Und keine Sorge, wenn ihr wisst, worauf es ankommt, sind Leute wie ich gar nicht so schwierig. Ich zumindest habe unter den richtigen Umständen sehr viel Bock auf Leistung. Der Bock verkrümelt sich nur ziemlich schnell, wenn ich den Sinn meiner Arbeit nicht kenne.

Der Preis sinnloser Arbeit

Mit Sinn meine nicht einmal dieses New-Work-Buzzword, dass meine Arbeit die Welt oder wenigstens ein paar Menschenleben oder bedrohte Tierarten retten muss. Ich rede hier von einem ganz pragmatischen Sinn: Dass meine Arbeit mehr als Beschäftigungstherapie ist. Leider habe ich das gerade in Arbeitssituationen, die als „agil“ bezeichnen, nur zu oft erlebt, dass ich für die Tonne gearbeitet habe, weil sich plötzlich die „Strategie“ verändert hat. Dass mit viel Aufwand und Herzblut geschriebene Texte nicht veröffentlicht wurden, dass Kontakte, die ich mit viel Persistenz an Land gezogen hatte, plötzlich nicht mehr gebraucht wurden.

Natürlich kann sowas immer mal passieren, Führungskräfte haben schließlich auch keine Glaskugel vor sich, aber so viele dieser Fälle hätten sicher verhindert werden können, wenn jemand ein paar Minuten länger nachgedacht hätte – oder sich etwas mehr Zeit genommen hätte, mir das Ziel etwas präziser zu erklären. Wenn ihr Leute für die Tonne arbeiten lasst, kostet euch das nicht nur Unmengen an Geld, sondern teilweise auch eure besten Mitarbeitenden – denn damit verletzt ihr das für die mentale Gesundheit so wichtige Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit.

Lasst mich mitdenken!

Das möchte ich an einem Extremfall verdeutlichen: Einmal, als sich der Sinn und das Ziel meiner Aufgabe sich mir so gar nicht mehr erschlossen hat, habe ich meine Arbeit niedergelegt und meine Führungskraft so lange genervt, bis sie begriffen hat, dass es ihre einzige Option ist, zu mir ehrlich zu sein. Sie hat von Plänen erzählt, die sie eigentlich laut Geschäftsführung noch nicht mit mir hätte teilen dürfen. Diese Infos haben aber meinen vermeintlich sinnlosen Aufgaben wieder Sinn gegeben. Vielleicht wirkt solches Verhalten auf euch aufmüpfig, „schwierig“ – dabei sind Rückfragen wie diese häufig der Versuch, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Nach der Aufklärung habe ich nämlich meine Arbeit genauso gewissenhaft wie sonst fortgesetzt – also warum nicht gleich so? Hier möchte ich einmal mehr an meinen letzten Blogpost zum Thema Ehrlichkeit verweisen: Wie wäre es, wenn die Unternehmensführung einfach generell transparent mit Plänen und Entscheidungen umgehen würde? Dann hätte sie auch die Chance, dass Leute wie ich sie auf eventuelle Ungereimtheiten hinweisen.

Auch bei Regeln und Vorschriften möchte ich den Sinn kennen – ansonsten sehe ich es nicht ein, mich daran zu halten. Ein Beispiel dafür sind Homeoffice-Regelungen: Es ist gar nicht so, dass ich mich unbedingt die ganze Zeit in die eigenen vier Wände verkriechen muss, ich mag soziale Kontakte. Ich bin gerne vor Ort, wenn es zum Beispiel um einen Workshop, ein Teambuilding-Event oder ein Mittagessen mit einer Kundin geht. Aber warum zum Teufel sollte ich ins Büro kommen, um stundenlang schweigend an meinem Laptop zu sitzen, nur damit ihr das Gefühl habt, ihr könntet besser kontrollieren, ob ich auch wirklich arbeite? Oder für ein Meeting, das auch eine E-Mail hätte sein können? Erklärt doch deswegen einfach kurz, wofür eure Abläufe und Regeln gut sind. Wenn sie Sinn ergeben, läuft alles. Und wenn ich den Sinn nicht finde, helfe ich euch, die Strukturen effizienter zu gestalten. Für Führungskräfte mögen Personen wie ich herausfordern sein, aber wer Sinn einfordert, denkt oft über Optimierungsmöglichkeiten nach. Sinnvolle Leistung entsteht dort, wo Menschen Verantwortung übernehmen dürfen und nicht, wo sie blind Regeln folgen.

Das mag ich übrigens an meiner Selbstständigkeit: Als Freiberuflerin bekommt man in der Regel keine Bullshit-Jobs, weil sich Organisationen zweimal überlegen, welche Leistungen sie in Rechnung stellen lassen. Und weil sie genau wissen, welches Ergebnis sie erwarten und mir das klar kommunizieren. Wie wäre es, wenn ihr eure festen Mitarbeitenden auch so behandelt? Das spart euch Geld und eurem Team Stress und Frustration.

Hier nochmal meine Ratschläge auf einen Blick:

1. Mehrwert prüfen

Welchen konkreten Nutzen bringen die Aufgaben, die ihr euren Mitarbeitenden gebt, eurer Organisation oder Welt und Gesellschaft? Wenn ihr den Sinn nicht in wenigen Sätzen klar benennen könnt, ist sie vermutlich überflüssig.

2. Transparenz

Informiert eure Mitarbeitenden über das Big Picture! Kommuniziert offen, welches Ziel ihr verfolgt und klärt sie umgehend über aktuelle Entscheidungen auf. Wenn es darum geht, wie die Mitarbeitenden dieses Ziel erreichen, könnt ihr ihnen ruhig etwas Freiheit einräumen.

3. Regeln hinterfragen

Kennt den Zweck eurer Richtlinien und seid jederzeit in der Lage, ihn zu benennen. Oder erklärt euren Mitarbeitenden am besten gleich beim Onboarding, warum welche Regeln gelten. „Weil wir es schon immer so gemacht haben“ oder „Weil ich hier die Chefin bin“ zählen übrigens nicht als Begründung!

Übrigens: In einer Studie von Auctority zum Thema Erschöpfung sagten 45,6 Prozent der erwerbstätigen Befragten, dass weniger sinnlose Arbeit ihre beruflich bedingte Erschöpfung verringern könnte. Mein Bedürfnis nach sinnvoller Arbeit ist also vielleicht gar nicht so außergewöhnlich. Und das ist ein Grund mehr dafür, euren Mitarbeitenden den Sinn ihrer Arbeit zu erklären.

Und, würdet ihr mich einstellen? Oder bin ich euch zu kompliziert?

Wollt ihr mehr erfahren? Dann bleibt dran – in den nächsten Beiträgen dieser Reihe wird es unter anderem um Vertrauen, Work-Life-Balance und Neurodiversität gehen. So viel vorweg: Der nächste Blogpost wird noch ein bisschen persönlicher.

Wollt ihr individuelle Tipps für euer Unternehmen oder dass ich euch einfach mal ganz ehrlich sage, ob und warum ich bei euch die Arbeit verweigern würde? Dann kontaktiert mich gerne für ein unverbindliches Gespräch. Ich freue mich darauf, eure Sinn-Seismografin zu werden!

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